Deutsch-dänische Exkursion zu den Kreide-Rendzinen auf Rügen und Møn
Im Zeitraum 28. – 30. Mai fand eine länderübergreifende Fachexkursion zur Genese, Klassifikation und standortsökologischen Bewertung von Rendzinen auf den beiden benachbarten Ostseeinseln Rügen und Møn statt. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der DBG und DFJ (Dansk Forening for Jordbundsvidenskab - Dänische Vereinigung für Bodenwissenschaften) sowie dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (Federführung Frank Idler und Team) organisiert. Anlass war die Wahl der Rendzina zum „Boden des Jahres 2025“ mit Schirmherrschaft des Ministers für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Als internationales Partnerland konnte Dänemark gewonnen werden. Das Ministerium unterstützte die Exkursion, an der 35 Personen aus beiden Ländern teilnahmen, sowohl finanziell als auch logistisch.
Der Bodentyp Rendzina aus kreidezeitlichen Kalken tritt im Ostseeraum zwar flächenmäßig weit hinter Böden aus glazialen Moränen- und Schmelzwasserablagerungen zurück. Aber ihre Seltenheit, die mit der besonderen Geologie und Reliefsituation auf den beiden besuchten Inseln zusammenhängt, macht sie aus verschiedenen Blickwinkeln heraus besonders wertvoll. Denn die markanten Kreidekliffs von Rügen und Møn besitzen überregionale Bedeutung als einzigartige und weithin bekannte Landschafts-, Natur- und Kulturräume. So sind die alten Buchenwälder auf dem Jasmund mit der Kreidesteilküste seit einigen Jahren UNESCO-Weltnaturerbe und bereits seit der Romantik als touristisches Ziel weit bekannt, v.a. durch das berühmte Gemälde von Caspar David Friedrich. Und auch das dänische Pendant, Møns Klint wurde im Juli 2025 offiziell in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Dort besitzen neben der Kreidesteilküste (Møns Klint) besonders die Trockenrasenflächen mit zahlreichen seltenen Tier- und Pflanzenarten einen einzigartigen Charakter. Aufgrund der in die Kreide eingelagerten Feuersteine wurden beide Inseln in Nachweiszeit bereits früh besiedelt, was viele Bodendenkmäler, v.a. Großsteingräber („Hünengräber“) eindrucksvoll bezeugen.
Ingolf Stodian, Leiter des Nationalparks Jasmund und promovierter Hydrogeologe, führte im Rahmen eines einleitenden Abendvortrags in Saßnitz in die komplexe Geologie beider Inseln und den Gebietswasserhaushalt im Rügener Kreidekomplex ein. Die mechanische Wirkung des sich bewegenden weichselzeitlichen Gletschers führte zu starken Veränderungen der ursprünglich horizontalen Lagerung der Kreideschichten (Alter ca. 70 Mio. Jahre). So ergaben sich vielfältige Aufschuppungen, Überschiebungen und sogar Faltungen, was auch zu Einarbeitung von pleistozänen Sedimenten in die heutige Schichtenfolge – an den Steilküsten beider Inseln eindrucksvoll aufgeschlossen – führte. Daraus ergibt sich auf engem Raum eine außerordentlich große Standortsvielfalt, v.a. in Hinblick auf den Wasserhaushalt und damit die Biodiversität. Das Spektrum reicht dabei von extrem flachgründigen, eher trockenen Rendzinen bis hin zu stark vermoorten Bereichen. Der erste Exkursionstag auf Rügen führte nach einem Besuch des neu angelegten, futuristisch anmutenden Skywalks am Königstuhl zu drei Standorten mit Bodenprofilen unterschiedlicher Landnutzung. Für die Rendzina unter der heimischen Buche hatten vorbereitende pF-Messungen ergeben, dass die relativ lockere Schreibkreide im C-Horizont aufgrund ihrer Mikroporosität relativ viel pflanzenverfügbares Wasser speichern kann. Die Buche kann sich mit ihren Wurzeln dieses Wasserreservoir erschließen. Daher ist die Wasserverfügbarkeit weitaus besser, als man bei einem als flachgründig geltenden Standort vermuten würde. Zwei Grünlandstandorte zeigten deutliche Massenverlagerungen am Hang infolge zeitweiliger Ackernutzung. Typisch für Rügen ist auch der historische und aktuell noch in einem Gebiet betriebene Abbau von Schreibkreide. Letztere Bergbauaktivität stellt neben dem Bodenverlust auch einen massiven Eingriff in den Gebietswasserhaushalt sowie das Landschaftsbild dar. Interessante Einblicke in die Geologie und Fossilienwelt sowie Nutzung der Rügener Kreide gewährte eine Führung im Kreidemuseum Gummanz. Im Bereich eines benachbarten stillgelegten Kreidebruchs konnten die Exkursionsteilnehmer*innen außerdem die initiale Phase der Bodenbildung beobachten und diskutieren.
Nach abendlicher Fährüberfahrt von Rostock ins dänische Gedser auf Falster führte der zweite Exkursionstag unter Leitung der Professoren Bjarne Strobel und Lars Vesterdal (DFJ, Universität Kopenhagen) auf Rügens Schwesterinsel Møn. Im Bereich Gurkebakken wurde eine Rendzina auf Grünland vorgestellt. Der Standort wurde noch vor wenigen Jahren als Ackerland intensiv bewirtschaftet und danach stillgelegt. Naturschutzfachliches Ziel ist eine Ausweitung angrenzender Flächen mit Kalktrockenrasen. In diesem Teil von Møn wurden solche Flächen traditionell als extensive Viehweide (Kühe, Schafe und teilweise Ziegen) genutzt. Beeindruckend war besonders die große Artenvielfalt u.a. mit seltenen Orchideen. Bei einem Rendzina-Profil in einem nicht mehr bewirtschafteten und daher relativ naturnahen Buchenbestand wurden schwerpunktmäßig die Prozesse der Streuzersetzung und die sich daraus ergebende Humusform F-Mull thematisiert. Ein abschließender Höhepunkt der Exkursion war ein Besuch im GeoCenter Møns Klint, wo mit innovativer Kommunikations- und Museumstechnik einer stetig wachsenden Besuchermenge Natur- und Umweltaspekte vermittelt werden. Beeindruckend war auch der Holztreppenabstieg zur rund 100 m tiefer gelegenen Ostseeküste und der Blick von dort auf die Kreidefelsen.
In einem abschließenden Fazit waren sich Prof. Bjarne Strobel (DFJ), Angelika Groth und Heike Kasten (Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern), Dr. Gerhard Milbert (Kuratorium „Boden des Jahres“) und Prof. Karl-Heinz Feger (DBG) über den Erfolg der interdisziplinären Veranstaltung einig. Auch von den Teilnehmer*innen kam ein sehr positives Echo. Dies ist eine gute Grundlage für den Ausbau weiterer fachlicher Kontakte zwischen beiden Ländern über die Ostsee hinweg. Der Erfolg bestärkt zudem das Kuratorium „Boden des Jahres“, auch künftig auf Partnerschaften mit Nachbarländern hinzuwirken.